… dann kann er was erzählen! 

 

 

Zwischen diesen beiden Fotos liegen 1.500 nautische Meilen (NM) oder 2.700 km Flugstrecke und eine Gesamtflugzeit von 16 Stunden innerhalb von 4 Tagen mit einer Cessna 172 Skyhawk quer durch Europa.

 

 

 

 

 

 

Was hat ein Überführungsflug mit dem Fallschirmspringen zu tun? Eigentlich erstmal nix, aber irgendwie doch schon – zumindest wenn ein Fallschirmspringer diesen Flug durchführt – aber lest selbst …

 

Ich hatte mich gerade damit abgefunden, dass ich dieses Jahr wegen der „verschnupften“ SierraLima wohl nicht mehr zum fliegen komme, als mich Kurt Markussen anrief und mich fragte, ob ich die D-EORR (kurz RomeoRomeo = RR) nicht nach Malaga überführen möchte. Da musste ich erstmal sehr lange (ca. 2 Sekunden) nachdenken und hab sofort zugesagt. Mit ne’m Jet geht die Strecke in 3 Stunden über die Bühne, aber auf was für ein Abenteuer ich mich mit der „kleinen“ RR unter Sichtflugbedingungen eingelassen habe, wurde mir erst später wirklich klar…

 

Kernkraftwerk südlich von BrunsbüttelAm Freitag, den 13.10.2006 gegen mittags ging’s los am „Hungrigen Wolf“ (EDHF) bei Itzehoe. Die Wettervorhersage war bescheiden aber ausreichend um zur ersten Etappe aufzubrechen. Schon kurz nach dem Start musste ich feststellen, dass die Metrolügen mal wieder völlig falsch lagen, denn es war noch schlechter als angekündigt. Schon das Kernkraftwerk südlich von Brunsbüttel war aus einem Kilometer fast nicht mehr zu sehen und kurz hinter Bremen hatte ich größte Schwierigkeiten die Sichtflugminimas einzuhalten. Was sollte ich tun, umdrehen? Ich holte mir über Funk noch mal das aktuelle Streckenwetter und entschied mich darauf hin weiterzufliegen. Zwei Stunden nach dem Start landete ich Grefrath, die Vögel dort gingen zu Fuß und der Flugleiter staunte nicht schlecht, wo ich denn jetzt herkäme …   

 

Fliegerklause in Grefrath

Es war kurz vor Sunset und an ein Weiterfliegen nicht zu denken. Aber ich hatte mir ne prima Station für die Übernachtung ausgesucht. Wolfgang Klein und seine Jungs von Skyfun Fallschirmsport haben sich toll um mich gekümmert, mir ne’n Hotel organisiert und mir sogar das Springerauto für den Weg dorthin zur Verfügung gestellt. Doch zuvor gab’s noch das ein oder andere Bier und jede Menge „Luftmannsgarn“ in der Fliegerklause.

 

 

 

Am nächsten Morgen – Nebel und Wolken, die sich erst am frühen Nachmittag auflösten. Spätestens jetzt waren mein Zeitplan sowie meine gesamte Flugvorbereitung schlicht für die Tonne. Trotzdem, wenigstens den Sprung nach Frankreich wollte ich heute noch schaffen. Also schnell den Flieger auftanken, ne’n Flugplan aufgeben und los ging’s. Via Maastricht, quer durch Belgien und bis zur Landung in Troyes, östlich von Paris vergingen knapp 3 Stunden sprichwörtlich im Fluge. Dort angekommen, ein riesiger Flugplatz, aber keine Menschenseele, nicht mal ein Flugleiter! Aber das wird oft in Frankreich und auch in Spanien so gehandhabt. Man informiert andere Flieger durch Blindmeldungen und startet bzw. landet „im eigenen Ermessen“. Aber wie auftanken? Per Kreditkarte am Automaten! Na Klasse, mit meinen kargen Französischkenntnissen war das ne echte Challange die, nur französisch beschriebene Zapfsäule zu überreden. Nach 20 Minuten war auch das vollbracht, nur das der blöde Kasten mir partout keine Rechnung ausspucken wollte. Feierabend für heute und ab ins nahe gelegene Novotel.

 

Flug über den Wolken15.10.2006, man ahnt es kaum – Nebel! Dafür aber freundliche Franzosen in der Flugleitung, die mich nachträglich mit der Spritrechnung versorgten und mir Hilfe und Tipps für die nächste Etappe gaben.

Zwischenzeitlich hatte sich der Nebel in eine flache und fast vollständige Wolkendecke gewandelt. Im Süden laut Wetterauskunft blue sky. Was also tun? Die Berge in Zentralfrankreich würden ein Unterfliegen der Wolkendecke nicht zulassen. Der französische und der deutsche Wetterdienst sagten aber übereinstimmend aus, dass die Obergrenze bis maximal 5.000 ft / 1.500m geht. Also rein in den Flieger und los. Die nächste Viertelstunde erspare ich Euch und meiner Fluglizenz lieber!

 

Aber nach kurzer Strecke lösten sich die Wolken fast vollständig auf und ich konnte tatsächlich bei herrlichen Sichten via Vichy Wer da schon mal aus der Antonnov72 gesprungen ist, erkennt den Platz - Yichynach Toulouse fliegen. Die Landung dort war bei einer Seitenwindkomponente von fast 15 Knoten Wind mehr als sportlich, klappte aber mit schulmäßig gelerntem „hängenden Flügel“ prima! Ich wollte heute auf jeden Fall noch den Sprung nach Spanien schaffen, tanken war kein Problem aber dann lernte ich „Olivia“ kennen. Olivia ist ein französischer „Selfbriefingterminal“ an dem man den notwendigen Flugplan hätte aufgeben können – natürlich ausschließlich auf Französisch! Aber Gott sei Dank stürzte der blöde Automat bei meinen Hackerversuchen irgendwann ab und der griesgrämige Flugleiter hatte ein Einsehen und gab meinen Flugplan per Telefon an die französische Flugsicherung durch.

 

Über Perpignan am Rande der Pyrenäen lang ging’s dann nach Ampuriabrava weiter. Zur Landung wurde noch rasch ne Twinotter-Load über mir abgekippt und so landete ich zusammen mit 22 Springer an einem Platz, der vielleicht ein Viertel der Große des „Hungrigen Wolfes“ hat – viele Grüße an die Flugleitung von Itzehoe! Aber was ne herzliche Begrüßung dort! Schnell im „Castello Blanco“ ein Zimmer gebucht und dann mit Stephane Fardel, Bruno Brokken, Richi und den anderen Jungs bis tief in die Nacht gefeiert – einfach Klasse! Bruno – für mich der beste Video- und Fotograf im weltlichen Fallschirmsport - hat übrigens ne wirklich tolle Galerie auf seiner Website http://www.brunobrokken.com, müsst Ihr unbedingt mal reinschauen!

  

SkyRats-Bar und Tower in AmpuriabravaAm nächsten Tag – der Sprungbetrieb war schon längst aktiv – ging es (ähem, anfänglich mit etwas größeren Kopfumfang) weiter zunächst nach Valencia. Zwar hatte ich jetzt (fast) keine Wetterprobleme mehr, kurz hinter Barcelona musste ich noch ein kleines Gewitter umfliegen, aber dafür wurde die Flugdurchführung erheblich komplizierter. In Spanien darf man nur bis 1000 ft / 330 m ohne Flugplan und somit ohne ATC (Air Traffic Controll) fliegen, aber das hätte aufgrund der rauen Landschaft und den hohen Bergen nur entlang der Küste funktioniert – viel zu langer Weg! Im Flugplan aufgeben war ich ja zwischenzeitlich gut trainiert, aber der Flugfunk mit den Radar-Controlern war heftig. Die Spanier sprechen nicht unbedingt gutes Englisch, dass aber genauso schnell wie ihr Spanisch.

 

Int. Airport of Valencia - und die kleine RR mittendrinAber das Glück ist ja bekanntlich mit den Tüchtigen und so wurde genau solch ein Kommunikationsproblem zu meinem Vorteil. Eigentlich hatten mich alle vor Valencia gewarnt, der Platz ist riesig, die Wege weit und es dauere Stunden bis man abgefertigt würde. Da aber in Castellon ein Flieger durch ne Bruchlandung die Landebahn versperrte, entschied ich mich doch nach Valencia zu gehen. Anflug durch die Kontrollzone und Landung am int. Airport of Valencia (LEVC) waren kein Problem, nur die Senora vom Ground hatte nicht wirklich ne’n Plan, war schlicht nicht zu verstehen und verursachte ein mittelschweres Chaos am Boden. “Say again” war die häufigste Vokabel am Funk. Und als ein Ryanair-Pilot ihr auch noch sagte, dass wenn alle Piloten ständig “say again” riefen, könnte es vielleicht auch an ihr liegen – da wars dann auf einmal ganz still. Mittlerweile stand ein FollowMe vor mir und wusste ebenfalls nicht wie es weiter geht. Meine Trink-Geste, ich bräuchte Sprit hat er aber verstanden und nahm die Funkpause zum Anlass, mich direkt zur Tankstelle, nur eben auf dem Hauptfeld bei den dicken Brummern zu lotsen. Von dort aus waren es schlappe 100 m zum Tower und so bekam ich das Kunststück hin, innerhalb von nur 45 Minuten zu tanken, Wetterberatung einzuholen, den nächsten Flugplan aufzugeben, kurz für kleine Jungs und wieder in der Luft zu sein. Geht doch!

 

Auf zur letzten Etappe. Dabei überflog ich noch in Torrevieja, südlich von Alicante das Haus meiner Mutter und anschließend an den Atem beraubenden Ausläufern der Sierra Nevada vorbei. Die Ausläufern der Sierra Nevada

 

Am 16.10.2006 erreichte ich gegen 18:00 Uhr den Platz von La Axarquia (LEAX) bei Malaga und war fix und foxi. Der neue Eigentümer der RR war überglücklich und brachte mich nach der Flugzeugübergabe in eine, wie er sagte kleine Pension. Die kleine Pension war letztlich die Suite im 8. Stock des Nobelhotels Cervantes, mitten in Torremolinos. Ich weiß nicht wie er das gedeichselt hat, aber ich habe mal gerade 70,- € für die Suite und ein fürstliches Frühstück bezahlt. Am nächsten Morgen sollte es per AirBerlin wieder zurück nach Hamburg gehen, aber den Abend wollte ich noch nutzen um etwas zwischen die Kiemen zu bekommen. Hmm?  Here english breakfast - hier deutscher Kaffee – war ich wirklich in Spanien? Zumindest nicht auf der Hauptpromenade von Torremolinos, hier wimmelte es nur so von blöden Touristen. Zu McDoof? Ne! Also entschied ich mich mal links abzubiegen, die Gassen wurden immer kleiner und irgendwann stand ich vor einer Bodega aus der lautes, spanisches Geplapper drang. Mein Spanisch ist zwar nicht die Welt, aber es reicht um durchzukommen, also rein da! ¿Hay Gambas? – fragte ich den Wirt. Si Senor – antwortete der und schob mich zu seinem Tisch. Ich traute mich, bestellte „Gambas en ahilio y un Tinto de Casa“ (Schrimps in Olivenoel gebraten mit mächtig viel Knoblauch und ne’n Rotwein) und wurde leckerst und reichlich belohnt! Endstation! Das neue Zuhause der D-EORRAls ich mir abschließend noch einen Carachillo (Espresso mit ne’m Schuß Brandy) bestellen wollte, wurde der Wirt spätestens jetzt neugierig, was ich denn wohl für einer war. Und so musste ich ihm, seiner Frau und einer Traube von Spaniern um mich herum die Geschichte vom Flug in meinem gebrochenen Spanisch erzählen. Es war 0:30 Uhr und einige Carachillos später, als ich mich beim Wirt und seiner Frau als letzter Gast herzlich bedankte, verabschiedete und die Bodega verlassen habe. Ordentlich angeschickert ging ich in meine Suite, genoss die herrliche Aussicht über Torremolinos und lies dabei die Tage noch mal Revue passieren.

 

Es war sicherlich ein sehr anstrengendes, aber zweifellos auch ein tolles und aufregendes Abenteuer bei dem ich fliegerisch sehr, sehr viel gelernt habe und das ich lange nicht vergessen werde!

 

Kurt, wenn Du mal wieder ein Flugzeug überführen lassen musst, …..

 

fly free

Achmed